Kerche – Landleben in der Stadt

Meine Guide führt mich mit einem Schlenker über die Pleikartsförster Straße in die Lochheimer Straße vorbei an der schönen Grundschule Kurpfalz Schule und der beeindruckenden, neuromanischen katholischen Kirche St. Peter. Die Schule könnte übrigens sofort als Filmort und Kulisse für einen historischen Film aus den 1920/30ern herhalten. Wenn der Bau auch nicht immer praktikabel und im besten Zustand für Schüler und Lehrkräfte ist, so sind die Räumlichkeiten doch zum Verlieben. Ein echtes Heimatmuseum im noch älteren und kleinen Schulhaus befindet sich übrigens in der Schäfergasse 5. Es zeigt sorgsam Gesammeltes aus dem privaten Leben der Leute, Handel und Handwerk aus Kersche. Besuchenswert!

Wir landen in der Schwetzinger Straße, auf der sich auch die Straßenbahn bewegt und auf der sich viele kleine Geschäfte tummeln. Es fallen mir einige ungewöhnliche und originelle Ladenkonzepte auf, die ich mir in Heidelbergs Zentrum mit den schwindelerregenden Mieten kaum vorstellen kann: z.B. Rehm Brillen & Antikes, der kleine Bekleidungsladen „Hut Vogel“ (Dieser versetzte mich in meine Kindheit der 60er zurück.) oder auch der Uhrmacher Christian Kaiser. Machen Sie sich selbst ein Bild. Wir gehen aber erst mal in die Schmitt Apotheke, die in zweiter Generation von Ur-Kirchheimern geführt wird. Übrigens auch schon seit 30 Jahren! Die Schmitts erfüllen mit viel Erfahrung, Know-How und mit ca. zehn Mitarbeitern an diesem Standort jeden Wunsch ihrer Kunden und Patienten, auch einen Lieferservice, nach wie vor, auch ohne Pandemie. Der Kontakt ist herzlich und sehr persönlich. Mich beglücken die wundervollen, großformatigen und originellen Schwarz-Weiß Aufnahmen über den Regalen: eine historische Foto-Galerie von Kirchheim.

Kleiner Tipp am Rande für Neu-Zugezogene: Besuchen Sie die SG Kirchheim (Sportgemeinschaft Heidelberg Kirchheim e. V.). Da ist für alle und jeden was dabei für Sport und Fitness und zum Kennenlernen! Wem das nicht reicht, der geht mit Kind & Kegel zu einer der vielen traditionellen Dorffeste wie, z.B. dem Kinderfest „Gewühl im Hüttenbühl“, der klassischen Kerwe, bei dem wirklich die Vereine vielfältig zum Vergnügen beitragen, dem „Kartoffelfest im und ums Heimatmuseum“, dem Oktoberfestschießen, dem Kirchheimer Weihnachtsmarkt und viel mehr! Da können Freundschaften entstehen und vielleicht auch ein ehrenamtliches Engagement? Wir wandern Richtung Südwesten über die Schwetzingerstraße in die Odenwaldstraße linker Hand. Da fällt mir das Senioren Zentrum mit dem Café Ü50 auf: Das Miteinander und Anschluss wird hier tatsächlich hoch gehalten! Hier gibt es täglich Mittagstisch und täglich Programm für Körper, Geist und Seele. Hier ist reger Kontakt und auch wieder mit viel Ehrenamt!

In der selben Straße ist der Buchladen „Buch und Kunst“ von Beate Madani. Eröffnet 1980 von Frau Lehmann, einer Ur-Kirchheimerin. Die Kirchheimer lieben ihren Buchladen heiß und innig. Stetig öffnet sich die Tür während meines Besuchs bei Frau Madani. Beliebt sind Kochbücher, Krimis, Geschenke, Noten, Karten, Kalender, Schulbücher und ganz besonders die Kinderbuchecke. Genau genommen ist es ein kleiner Wohlfühlraum. Beate Madani bedankt sich bei ihren Kirchheimer Kunden indem Sie Eintrittskarten von Kirchheimer Events verkauft und Produkte aus dem ortsansässigen Kunsthandwerk. Übrigens nimmt sie Buchbestellungen live, per Mail oder per Telefon an. Kleine Anmerkung: auch daran bemerkt man den ländlichen Charakter: die Einhaltung von althergebrachten Mittagszeiten und den damit verbundenen Öffnungszeiten. Klassisch sind einige Geschäfte Mittwoch nachmittags geschlossen.

Nicht weit entfernt steht die Evangelischen Kirche der Bonhoeffer Gemeinde. Dort gegenüber wurde im Herbst 2022 das Café Bohne in der Hegenichstraße 22 eröffnet (montags-mittwochs 15-18.00). Ein Gemeindecafé für Menschen aller Kulturen, die nicht täglich einfach „mal so“ zum Kaffeetrinken gehen können. Das Café wird durch die Bonhoeffer Gemeinde und die Kirchheimer gesponsert, ehrenamtlich supportet und bespielt. Kinder haben Außen- und Innenflächen zum Spielen und Toben. Die Eltern können den „Babbeltisch“ entspannt zum Austausch nutzen und es gibt oftmals auch eine beherzte Vorlese-Oma. Hier interessiert man sich halt doch „jede Bohne“ für den Nachbarn.

Unser Ziel ist der Blumenladen von Martina Müller. Der Blüten(t)raum. Eine mutige Floristin, die während der Pandemie 2020 diesen süßen, farbenprächtigen, üppig-duftenden Laden mit außergewöhnlichen Blumen, Gestecken, hippen Sträußen, Trockenblumen und Deko-Gegenständen auf 50 qm gefüllt hat. Sie wurde belohnt und sie hat Erfolg weit über die Grenzen von Kirchheim. Zu ihrem Kerngeschäft gehören auch Blumenausstattungen (privat oder Firmen) für Events und Hochzeiten. Bitte hereinkommen und verzaubern lassen! Das kann sie gut.

Nur ein Eingang weiter lädt der letzte, echte Metzger am Ort ein: Steffen Gieser und sein Team. Es war ein Trauerspiel mit den ansässigen Metzgern von Kirchheim, wird mir erzählt. Auch bei der Metzgerei stehen mir alle Türen offen und Freundlichkeit lacht mir entgegen. Eine Metzgerei in dritter Generation seit 1953. Sehr klassisch. Sehr traditionell. Hohes Niveau. Das Fleisch stammt hauptsächlich regional aus dem Hohenlohischem, z.B. vom Schwäbisch-Hällischen Landschwein. Gieser und Team machen noch selbst ihre Wurst (Tipp: Kirchheimer Schweinepfeffer) und viele andere Produkte in der Theke. Die bietet auch eine große Auswahl an Käsesorten und natürlich auch eine „Heiße Theke“ an. Die Handwerker schwärmen mit Deftigem aus der Theke stetig ein und aus, während ich hier bin. Das Prinzip mit dem Kunden ist Vertrauen. Aber ganz ehrlich, das scheint mit hier in Kirchheim überall zu herrschen. Ich bin gerührt.

Last but not least, ein Tipp, den ich nur ungern teile, denn hier würde gern ich einziehen!
Die Beckerei. Nein, es ist kein Schreibfehler. Bei Susan Kai Becker gibt es bestes
Brot mit Seele, mit Leidenschaft und aus gutem Handwerk. Sie verkauft zudem auch
Blechkuchen, Feines aus der Patisserie, Feinkost, wie Nudeln, Gewürze und Schokolade. Sie ist längst kein Geheimtipp mehr. Sie ist ein sehr beliebter Treffpunkt mit Kaffee und Limonade für alt, jung, reich, gesellig oder für Einzelgänger. Damengruppen wollen abends gar nicht mehr gehen! Susan ist mit den Kirchheimern per Du. Und
auch das ist wohl das nächste Kirchheimer Prinzip! Fast alle sind per Du.
Das Brot (Holzofen oder normal) ist schnell ausverkauft, denn es ist kein Massenprodukt, sondern handwerkliches Qualitätsprodukt. Wenn doch was übrig bleibt, geht es
in das Food-Sharing. Natürlich bietet sie auch das Recup-Becher-Mehrwegsystem an.
Ich verliebe mich stehenden Fusses in ihre skandinavisch-anmutende Inneneinrichtung und all die Deko-Artikel, die sie ausstellt und verkauft. Und dann habe ich auch noch was Neues gelernt über den „Salzweck“, der gedreht ist und auch Kümmel in sich hält. Sehr beliebt! Leider heute schon ausverkauft. Deshalb muss ich dann auch wieder kommen! Nach Kersche!